Gesunde Kühe: Fachleute diskutieren über die optimale Klauenpflege

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Podiumsdiskussion der Landwirtschaftskammer Niedersachsen am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum in Echem erörtert Einflussfaktoren, um Kühe ein Leben lang bestmöglich gesund zu halten


Echem – Wie kann eine effektive Klauenpflege gelingen, die zugleich möglichst Spaß macht? Wie erkennen Betriebe frühestmöglich, dass Lahmheit in der Herde zum Problem wird? Welche Möglichkeiten haben die verschiedenen Berufsstände für eine Zusammenarbeit? Darüber haben bei einer Podiumsdiskussion der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) kürzlich ein Tierarzt, eine Klauenpflegerin, ein Landwirt und ein Zuchtunternehmer am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum (LBZ) in Echem miteinander gesprochen. Die durch den ELER-Fonds (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) im Rahmen des EIP-Projekts Claw Condition Score geförderte Veranstaltung trug den Titel: „Boxenstopp Klauenpflege – das Fundament für lebenslange Leistung?“.

Ziel des EIP-Projekts ist es herauszufinden, inwiefern die Körperkonditionsentwicklung, das Laktationsstadium und die Stoffwechsellage der Tiere Einfluss auf die Fettpolsterentwicklung der Klaue im Lebensverlauf nehmen. Kurzum: Welche Einflussfaktoren haben wir, um die Kühe lebenslang auf ein gesundes Fundament zu stellen? Die Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Podiumsdiskussion per YouTube-Livestream aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, rund 100 Personen hatten sich im Vorfeld dazu angemeldet.
 


Zur Runde der diskutierenden Fachleute gehörten der Tierarzt und Klauenpfleger Christoph Meis aus Nordrhein-Westfalen (Tierarztpraxis Almetal), die Klauenpflegerin Katharina Hoffelner aus Österreich (Firma Klauenpflege mit Herz), der Landwirt Frank Cordes aus Reeßum (Milchhof Reeßum; Samtgemeinde Sottrum, Landkreis Rotenburg) und der Zuchtunternehmer Ulrich Böckmann (Masterrind).

„Der Arbeitsplatz muss Spaß machen“

Frank Cordes melkt auf seinem Milchkuhbetrieb mit 760 Kühen 13.000 kg Milch pro Kuh und Jahr. Um die Klauenpflege auf seinem Betrieb kümmern sich drei Mitarbeiter, die die dafür entsprechende Ausbildung erhalten haben. Damit die Mitarbeiter auch kurz vor Feierabend noch motiviert sind, eine lahme Kuh zu pflegen, müssten die Bedingungen dafür entsprechend attraktiv und entspannt sein, wie Cordes sagte: „Der Arbeitsplatz für Klauenpflege muss Spaß machen, das heißt, der Klauenpflegestand muss einfach in der Bedienung sein und es darf auch mal ein Radio laufen. Nur wer Spaß an seiner Arbeit hat, macht sie gerne und schiebt sie nicht auf.“

Klauen- und Gliedmaßenprobleme zählen zu einer der häufigsten Abgangsursachen bei Milchkühen und stellen damit ein zentrales Problem in Milchviehherden dar. So wurde in einer Studie mit rund 80.000 Kühen nachgewiesen, dass mit einem Anteil von 27 Prozent Störungen des Bewegungsapparates an zweiter Stelle der wesentlichen Erkrankungen zu finden sind. Auf die Frage, bei welchem Grenzwert er bei seiner täglichen Arbeit von einem auffälligen Bestand spreche, positionierte sich Tierarzt Christoph Meis sehr deutlich: Jeder Bestand, in dem auch nur eine einzige Kuh lahmt, sei auffällig. Grenzwerte wie zum Beispiel 10 Prozent könne er nicht vertreten. „Bei der Null-Toleranz sind einzelne Klauenerkrankungen zwar nicht vermeidbar, doch diese müssen umgehend behandelt werden“, so Meis. „So wie der Ölwechsel bei einem Auto dazugehört, ist die Klauenpflege fester Bestandteil bei der Gesundheit von Kühen.“

Probleme beheben vs. Ursachenforschung

Ist es einfacher, auf den Betrieben die Probleme zu erkennen oder die Ursachen zu finden? Für Klauenpflegerin Katharina Hoffelner ließ sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Viel mehr komme es auf das Problembewusstsein der Landwirte an, was Lahmheiten angehe: Würden lahme Tiere auf Betrieben nur kurativ behandelt, werde zwar das Problem erkannt, aber nicht nach der Ursache geforscht. Folglich komme die Frage auf, ob es nicht normal sei, dass die Tiere immer in ihrer Bewegung beeinträchtigt seien und es ein gewohnter Anblick sei.

„Haben wir Schmerzen, fällt uns die Arbeit schwer und wir mögen uns nicht rühren – so geht es auch den Kühen. Dies sollte man sich immer wieder bewusst machen“, so Hoffelner. Habe ein Betrieb ein Auge für lahme Kühe und reagiere mit einer präventiven und funktionellen Klauenpflege, befasse er sich mit der Ursache. Klauenpflege sollte nicht als behandelnder Maßstab gesehen werden, sondern als regelmäßiger und fester Bestandteil des Herdenmanagements. „Wichtig ist, dass es leicht von der Hand geht und die Betriebe in ihren Ställen einen festen Bereich dafür haben“, sagte Hoffelner.

Zuchtunternehmen scheinen auf den ersten Blick keinen immensen Einfluss auf die Klauenpflege zu haben, stellen aber doch einen Partner in der Zusammenarbeit dar. Ulrich Böckmann von der Masterrind betonte, wie wichtig eine vollständige und sorgfältige Dokumentation der Klauenpflege sei. Selbst wenn kein Befund zu erkennen sei, könnten daraus Schlüsse für die Zucht gezogen werden. Weiterhin schaffe eine vollständige Dokumentation einen Status quo über die Klauengesundheit in der Herde.

Böckmann gab aber auch zu bedenken, dass Werte für Trachtenhöhe und Klauenwinkel schwierige Parameter seien, da hier die klauenpflegende Person den größten Einfluss habe und das genetische Potenzial verfälschen könne. Ergänzend berichteten Christoph Meis und Katharina Hoffelner, dass aufbauend auf einer guten Dokumentation ein tier- und betriebsindividuelles Klauenpflegekonzept erstellt werden könne.

Miteinander Lösungen finden

Die Dokumentation stellte das verbindende Element zwischen den Berufsgruppen dar. Sie ermöglicht den verschiedenen Fachleuten, auf Augenhöhe gemeinsam Lösungen zu finden. Auf dieser Grundlage können eine konstruktive Beratung und Entwicklung aufgebaut werden. Die Podiumsgäste empfahlen, sich nicht vor anderen Kolleginnen und Beratern zu verschließen: Das Konkurrenzdenken solle ausgeschaltet werden, man könne voneinander lernen – der Dank einer erfolgreichen Zusammenarbeit seien gesunde Tiere.

Die Podiumsgäste waren sich einig: Es gibt zu viele lahme Kühe in der Fläche, die mit vermeidbaren Schmerzen durch die Ställe laufen. Um dem entgegenzutreten, gibt es diverse Möglichkeiten – Weiterbildung ist eine davon. Das LBZ bietet Grund- und Aufbaulehrgänge für die Klauenpflege an, am 30. Juni 2023 findet des Weiteren die Sommertagung Klaue statt: bit.ly/sommertagung23.

Stand: 27.02.2023


Kontakt:
Luise Köpke
Fachreferentin Kompetenzzentrum Klaue, Projektkoordination EIP CCS
Telefon: 04139 698-115
Telefax: 04139 698-100
E-Mail:
Ann-Cathrin Wolter
Stellv. Leiterin Landwirtschaftliches Bildungszentrum (LBZ) Echem
Telefon: 04139 698-128
Telefax: 04139 698-100
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